Finanzmarktbildung wird nicht ausreichen

In den letzten Wochen mehren sich die Stimmen aus der Politik, die eine bessere Finanzmarktbildung der Bevölkerung fordern. Ob in Brüssel oder in Berlin: In der europäischen Politik hat sich inzwischen herumgesprochen, dass die Vermögensbildung in der alten Welt deutlich eklatant schwächer ausfällt als andernorts.

In Deutschland ist die Lage besonders prekär, wie zahllose Vermögensstudien seit Jahren hinreichend belegen. Die volkswirtschaftlichen Nachteile schwacher Vermögensbildung sind vor allem in der deutschen Politik bislang noch gar nicht hinreichend verstanden worden. Mitunter wundern sich deutsche Wirtschaftsminister darüber, dass interessante Jungunternehmen oftmals von amerikanischen Investoren finanziert werden. Der Börsengang von BioNTech in New York und die Abwanderung von Linde an die Wall Street waren deutliche Warnzeichen.

Gewiss ist der Hinweis auf unzureichende Finanzmarktbildung triftig. Aber mit Blick auf die letzten Jahrzehnte und das Vorgehen in politisch beliebten Wirtschaftssektoren überwiegen Zweifel, ob bessere Finanzmarktbildung das Problem lösen wird. Daher wäre es wahrscheinlich erfolgversprechender, wenn der Staat finanzielle Anreize zur klügeren Vermögensallokation setzt. Derartig geht der Staat bekanntlich bei vielen Produkten vor. Denken wir etwa an die Elektromobilität, die in politischen Kreisen sehr beliebt ist. Steuerliche Kaufanreize wie etwa bei der Dienstwagenbesteuerung oder das Entfallen der Kraftfahrzeugsteuer bei E-Autos sind derartige Anreize. Man könnte auch über den sogenannten „grünen Stahl“ oder die finanzielle Unterstützung für Halbleiter- und Batteriefabriken sprechen.

Es spricht manches dafür, dass auch beim Thema Vermögensallokation steuerliche Anreize vonnöten sein werden, um die fatale Situation zügig anzugehen. Selbstverständlich ist auch die Finanzmarktbildung zu verbessern. Das Ziel aller Maßnahmen sollte dabei sein, mehr Menschen zur Miteigentümerschaft an der Wirtschaft zu ertüchtigen. Der klügste Weg dorthin ist die Förderung der Aktien- bzw. Aktienfondsanlage. Der Faktor Zeit spielt beim Investieren eine zentrale Rolle. Deshalb muss darauf hingewirkt werden, dass mit dem Anlegen möglichst früh begonnen wird. Entsprechende Ideen, die auf die staatlich geförderte Aktienanlage ab dem Zeitpunkt der Geburt abzielen, sind zu konkretisieren und ins Werk zu setzen.

Die Ironie an der Sache besteht indessen darin, dass höhere Vermögen und daraus folgende Erträge per Saldo dem Staat sehr zugutekommen. Hätten die Bundesbürger in den letzten Jahren eine Aktienquote von 75 % ihres Finanzvermögens besessen, dann wäre unser Staat heute schuldenfrei und um die Renten stünde es rosig. Ein erster Schritt könnte darin bestehen, die Doppelbesteuerung ausgeschütteter Unternehmensgewinne zu beenden, wie es ja beim Anrechnungsverfahren in der Vergangenheit der Fall war. Würde man Dividenden sogar gegenüber Zinsen in der Besteuerung privilegieren, dann würde es nachgerade automatisch zu höheren Aktienquoten in den Depots der Bundesbürger führen.


Ihre

Fondsmanager und Mitinvestoren

Dr. Christoph Bruns               Ufuk Boydak       

Chicago,                                   Frankfurt a.M. am 31.10.2025