Paul Volcker

Mit dem Ableben Paul Volckers, dem ehemaligen Notenbankchef der USA, geht symbolisch eine Ära zu Ende. Inflationsbekämpfung stellte in den Vereinigten Staaten eher selten eine Priorität dar. Dem historischen ‚Frontier‘-Gedanken folgend, steht traditionell Wachstum im Vordergrund amerikanischen Denkens.

Die Notenbankpolitik Paul Volckers war aus der Not geboren. Rasante Preissteigerungen im Nachgang der Ölkrise der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts sorgten für galoppierende Inflation in den USA. Es war der von Jimmy Carter ernannte Paul Volcker, der mit einer keineswegs allseits beliebten Hochzinspolitik den Preisauftriebstendenzen ein allmähliches Ende setzte. Fortan orientierte man sich auch in Washington stärker am Erfolgsmodell der Deutschen Bundesbank, die sich stets dem Ziel der Geldwertstabilität verpflichtet sah. Und wenngleich die Unabhängigkeit der Notenbank auch während Paul Volckers Amtszeit von interessierter Seite angegriffen wurde, wusste sich der in Europa ausgebildete Ökonom dieser Tendenz wohl zu widersetzen.

Heute leben wir in einer scheinbar ganz anderen Welt. Die Bundesbank ist heute nur noch eine aufgepeppte Statistikbehörde und Inflationsmessung erfolgt viel kreativer als ehedem. Ob die Notenbanken unabhängig von der Politik agieren ist fraglich geworden. Dass mit Frau Christine Lagarde erstmalig eine vormalige Politikerin (französische Finanzministerin) die Position einer Notenbankpräsidentin einnimmt, spricht Bände.

Das amerikanische Notenbanksystem der Fed ist mittlerweile zu einer Gelddruck- und Staatsfinanzierungseinrichtung mutiert. Ihr europäisches Pendant, die EZB, hat es ihr unter Mario Draghi nachgetan und mit der Einführung negativer Zinsen sogar getoppt. Es ist nicht völlig abwegig, zu vermuten, dass die Dauerniedrigzinspolitik nicht zuletzt der Rettung der überschuldeten Südstaaten bzw. der Sanierung der Staatshaushalte (auch in Deutschland) geschuldet ist.

Politik und Notenbank rühmen sich heute angesichts niedriger amtlicher Inflationsraten. Mitunter wird sogar behauptet, die geringen Inflationsraten seit Einführung des Euro zeigten gar dessen Überlegenheit gegenüber der D-Mark. Dabei unterschlägt man wissentlich, dass es zu D-Mark Zeiten ein viel kräftigeres Wirtschafswachstum gab, während das Wirtschaftswachstum in Europa seit dem Jahr 2000 leidlich mager ausfiel. Außerdem übersieht die offizielle Euro-Apologie jene Sachwertinflation, die in den letzten Jahren stattgefunden hat. Nirgendwo ist das sichtbarer als am Immobilienmarkt.

Zu den gefährlichen Nebenwirkungen der EZB-Politik gehört das Siechtum europäischer Banken. Anders als in den USA wird ein gesunder und robuster Bankensektor in der Eurozone nicht sonderlich hoch priorisiert. Dieser Umstand mag sich im Verzicht auf negative Zinsen in den USA widerspiegeln. Jedenfalls hat er dazu beigetragen, dass amerikanische Kreditinstitute heute wesentlich stärker dastehen als ihre europäischen Wettbewerber.

Zudem gewinnen Kräfte der Dereguliegung in Amerika unter dem Präsidenten Trump an Fahrt. Deshalb nimmt es auch nicht Wunder, dass die sogenannte Volcker-Regel, die im Anschluss an die Subprimekrise eingeführt und nach dem ehemaligen Notenbankchef benannt wurde sowie die Investmentaktivität der Geschäftsbanken einschränkte, inzwischen aufgeweicht wurde. Auch auf diesem Feld hat nunmehr eine neue Epoche begonnen.


Aus Chicago

Ihr

Dr. Christoph Bruns