Habemus Biden

Obwohl bislang aus dem Weißen Haus in Washington lediglich giftige Dämpfe, nicht aber weißer Rauch aufgestiegen ist, atmet die Welt vernehmbar und erleichtert auf. Amerikas Wähler und Institutionen haben der vierjährigen Belagerung durch Donald Trump und seine Gefolgsleute standgehalten und sich schließlich auf legale Weise einer großen Gefahr entworren. Jedenfalls ist dies die Hoffnung.

Wir Deutsche sollten mit Hochachtung von dieser demokratischen Leistung sprechen und nicht vergessen, dass es unseren eigenen Vorfahren zu Anfang der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts nicht gelang, eine erkennbare schwere Bedrohung rechtzeitig abzuwenden. Der Rest ist bekannt.

In der ältesten Demokratie der Welt, den Vereinigten Staaten von Amerika, ist es nicht üblich, Präsidenten nach vier Jahren in den Ruhestand zu schicken. Donald Trump ist erst der vierte Präsident, dem diese Schmach zuteilwird. Der Wahlsieg Bidens öffnet aber keineswegs die Tore zum irdischen Paradies. Dafür sind die Probleme Amerikas zu enorm. Er birgt aber die berechtigte Aussicht auf Sachlichkeit und anständiges Umgehen miteinander; beides keine geringen Tugenden. Beleidigungen, Drohungen und Verunglimpfungen werden durch Respekt, Zuhören und Verhandlungen ersetzt. Dabei werden die Vereinigten Staaten ihren immer schon vom eigenen Interesse geleiteten Kurs nicht verlassen. Washington hat keine Geschenke zu verteilen. Aber die Rückkehr zum konstruktiven Dialog ist nicht zuletzt auch für Deutschland ein großer Fortschritt. Die Stärke der USA besteht ja gerade darin, der westlichen Welt seine Werte zu oktroyieren. Wohin man blickt, sieht man amerikanische Standards. Das gilt für Unternehmensbilanzierung (true and fair view) ebenso wie für Medienformate, Bildungsabschlüsse, Militär, Kultur, Internet und vor allem Sprache. Die USA sind per saldo sehr gut damit gefahren, die Spielregeln der Welt oder immerhin des größten Teils der Welt zu determinieren. Der Isolationismus Trumps unter dem Motto ´America First´ ist ein schlecht durchdachter nationalistischer Strukturbruch, der von Joe Biden beendet werden wird. Anstatt weniger Zusammenarbeit, wie Trump es meinte, ist angesichts weltweiter Herausforderungen mehr internationale Kooperation bei den Themen Umweltschutz, Migration und Zusammenarbeit mit China erforderlich.

Freilich wird ein erheblicher Schaden für das Vertrauen der Amerikaner in ihre Institutionen das Vermächtnis von Donald Trump bleiben. Das Gift des Zynismus hat die Basis des Grundvertrauens vieler Bürger zersetzt. Ohne Vertrauen in die prinzipielle Richtigkeit und Fairness der Systeme und Institutionen muss das staatliche, ja sogar das menschliche Zusammenleben verderben. Wo die Lüge zum Hauptmedium der Kommunikation wird, verdorren die Bemühungen der Redlichen um Anstand und Würde. Das Destruktive ist viel einfacher als das Konstruktive und findet erstaunlich viele Bewunderer; nicht nur in den Vereinigten Staaten.

Der mythische Glaube an Amerika, als Land des ´Equal Opportunity´, der Marktwirtschaft, des Fortschritts und Speerspitze für Demokratie und Freiheit hat schweren Schaden genommen. Ob er reparabel ist, werden die nächsten vier Jahre weisen.


Aus Chicago

Ihr

Dr. Christoph Bruns