Atomkraftwerke abgeschaltet

In Deutschland ist eine Ära zu Ende gegangen. In dem ehemaligen Lande der Denker und Dichter wird fürderhin kein Atomstrom mehr produziert. Stattdessen muss grundlastfähiger Strom durch Kohle- und Gaskraftwerke bzw. Importe aus dem europäischen Ausland erzeugt bzw. bezogen werden. Die deutsche Versorgungssicherheit bei der Elektrizität nimmt zu, sofern die Nachbarländer ihre grundlastfähigen Stromerzeugungskapazitäten ausbauen.

Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Ungarn, Tschechien und Polen investieren in Kernkraftwerke und Finnland hat soeben einen weiteren Kernreaktor ans Netz gebracht. Angesichts des politisch gewünschten stark wachsenden Strombedarfs in Deutschland (Stichworte E-Autos, Wärmepumpen etc.) mag es sich als Segen erweisen, dass die genannten Länder einstweilen als Reserveproduzenten für Strommangellagen in Deutschland bereitstehen.

Zur Erinnerung: In der Schweiz hatte ein Volksentscheid im Nachgang zum Fukushima-Unglück dazu geführt, die bestehenden fünf Atommeiler so lange weiterzubetreiben, wie dies sicher und ökonomisch effizient der Fall ist. Damit hatten die Eidgenossen einmal mehr demonstriert, wie abgewogen und weitsichtig das Volk in Helvetien denkt. Die deutsche Politik liebt hingegen nationale Sonderwege. Mit missionarischem Eifer wird versucht, der Welt zu beweisen, dass hierzulande der heilige moralische Gral der Energieversorgung liegt. Allein, Nachahmer hat die deutsche Energiepolitik nicht gefunden.

Immerhin wurden im letzten Jahr die selbstgesetzten Klimaziele zum CO₂-Ausstoß erreicht. Hauptverantwortlich für die erfreuliche Entwicklung ist der Produktionsrückgang in den energieintensiven Industrien, nicht zuletzt auch der Automobilindustrie. Diese Tendenz dürfte anhalten, denn die Neigung solcher Sektoren, in Deutschland neue Produktionskapazitäten aufzubauen, tendiert gegen null; jedenfalls sofern nicht der Staat mit Subventionen bereitsteht. Angesichts der seit Jahrzehnten chaotischen und irrationalen Energiepolitik in Berlin, an der übrigens SPD, CDU, FDP und vor allem die Grünen in verschiedenen Regierungen beteiligt waren, ist das keine Überraschung. Nüchtern betrachtet bieten andere Länder bzw. Kontinente wesentlich bessere Standortbedingungen für energieintensive Wirtschaftsbranchen.

Damit setzt sich der seit längerem zu beobachtende Wohlstandsverlust und die Prekarisierung in Deutschland fort, während das Staatswesen weiter auf Wachstumsmodus (Bundeshaushalt, Staatsverschuldung, Doppel-Wumms, etc.) ausgerichtet bleibt. Olaf Scholz spricht neuerdings gar von einem neuen Wirtschaftswunder. Solange aber praxistaugliche Stromspeicher nicht zur Verfügung stehen, bleibt das alleinige Setzen auf Sonne und Wind ein Irrweg.


Aus Chicago

Ihr

Dr. Christoph Bruns