Standortpatriotismus

Deutschland hat kein Glück mit seinen Wirtschaftsministern. Nur wenige sind als überzeugte Marktwirtschaftler aufgefallen und einen zweiten Ludwig Erhard hat das Land nicht hervorbringen können.

Jüngst hat der derzeitige Wirtschaftsminister für Erstaunen gesorgt, als er sich angesichts eines wirtschaftlichen Bagatellvorgangs bemüßigt sah, etwas mehr ´Standortpatriotismus´ anzumahnen. Anlass war ein Wechsel des Trikotausstatters für den Deutschen Fußball-Bund (DFB). Die Fußball-Funktionäre nehmen ein gutes finanzielles Angebot an und ersetzen einen bestehenden und in zwei Jahren auslaufenden Vertrag.

Angesichts der durchkommerzialisierten Welt des Profifußballs ist das wahrlich keine aufregende Geschichte. Pikant allein ist die Kommentierung durch den Bundeswirtschaftsminister, und zwar deshalb, weil sie eine weitgehende Unkenntnis der ökonomischen Situation der Bundesrepublik erkennen lässt. Eine Volkswirtschaft, die ihren Wohlstand sehr maßgeblich einem starken Export verdankt, hat ein vitales Interesse daran, dass andere Länder nicht auf die Idee kommen, Standortpatriotismus zur obersten Maxime ihrer Wirtschaftspolitik zu machen. Wenn BMW, Miele, Beiersdorf, Aldi, Bosch, Bayer, Biontech, SAP und Co. ihre Waren und Dienstleistungen nicht mehr überwiegend an ausländische Kunden verkaufen, dann ist es um Deutschlands Wirtschaft geschehen. Daher wäre zu wünschen, dass sich ein deutscher Wirtschaftsminister für Freihandel, Globalisierung, Wettbewerb und Marktwirtschaft einsetzt. Der Wohlstand der Deutschen ist mit diesem Thema hoch positiv korreliert. Und es befremdet doch gewaltig, dass die wohlklingendsten – wenngleich verlogensten – Reden zum Freihandel heute von chinesischen Politikern gehalten werden. Und bedauerlicherweise haben auch die Vereinigten Staaten unter dem vormaligen Präsidenten Trump vom Freihandel als Leitmotiv Abstand genommen. Noch schlimmer: Sein Nachfolger im Amt hat den Trump-Kurs nahtlos fortgesetzt. Es muss aber daran erinnert werden, dass es vor allem die Grünen waren, die seinerzeit das Zustandekommen eines Freihandelsabkommens mit den USA (Stichwort: Chlorhühnchen) torpediert haben.

Vor diesem zunehmend national orientierten Hintergrund fällt seit geraumer Zeit auf, dass große Fabriken in Deutschland offenbar nur noch errichtet werden, wenn der Steuerzahler einen Großteil der Investitionen stemmt. Jedenfalls belegen die Fälle Tesla, Intel, Northvolt und andere, dass ohne Staatsknete keine Großinvestitionen getätigt werden. Noch schlimmer ist es bei den dringend benötigten Gaskraftwerken, für die sich aus nachvollziehbaren Gründen kein privater Investor findet. Für den Standort D ist das kein gutes Omen. Vielleicht wäre Dr. Habeck gut beraten, seinen Standortpatriotismus hin zu einer Standortattraktivität zu entwickeln. Dazu muss er z. B. Themen wie Steuer- und Abgabenlast, Bürokratie, erschwingliche Energiepreise und Beteiligung der Bevölkerung an der Wirtschaft durch Aktienbesitz priorisieren.


Aus Chicago

Ihr

Dr. Christoph Bruns