Die umfassenden Zollerhöhungen auf Importe erhöhen die Kosten signifikant, was entlang der Wertschöpfungskette zu Preiserhöhungen für Endverbraucher führt. So stiegen während Trumps erster Amtszeit die Preise für Waschmaschinen um durchschnittlich 86 US-Dollar. „Aktuelle Zölle, insbesondere auf Vorleistungen aus Kanada und Mexiko, betreffen nun jedoch ganze Produktionsprozesse“, sagt Boydak. „Und das vor allem in der Automobil- und Luftfahrtbranche, in denen Vorprodukte mehrfach über die Grenzen hinweg gehandelt werden.“ Viele Unternehmen geben die gestiegenen Importkosten an die Konsumenten weiter.
Diese Weitergabe der höheren Preise an die Verbraucher führt zu realen Einkommensverlusten. Haushalte mit niedrigem Einkommen sind besonders betroffen, da sie einen höheren Anteil ihres Budgets für Lebensmittel und Konsumgüter aufwenden müssen. Es sinkt die reale Kaufkraft, was die Konsumnachfrage belastet. „Dazu kommt die Unsicherheit über weitere Eskalationen im Handelskonflikt“, sagt Boydak. „Das Vertrauen der Verbraucher in die wirtschaftliche Entwicklung sinkt, was sich negativ auf größere Anschaffungen auswirkt.“
Die Kette ist klar: Höhere Zölle führen zu höheren Preisen, die den Konsum und damit die Nachfrage dämpfen, was für sinkende Investitionen und damit ein schwächeres Wachstum sorgt. Das BIP-Wachstum in den USA könnte so um 0,6 Prozentpunkte niedriger ausfallen. Normalerweise würde die US-Notenbank Fed mit sinkenden Zinsen gegenhalten. „Doch wirken die Zölle immer auch preistreibend“, so Boydak. „Schätzungen zufolge könnten die neuen Zölle die Inflation um bis zu 2,3 Prozentpunkte erhöhen – bei ohnehin steigendem Preisniveau.“
Besonders betroffen sind Nahrungsmittel und industrielle Vorprodukte. Die Fed gerät in ein Dilemma: Eine Unterstützung der Konjunktur durch Zinssenkungen könnte die Inflation weiter anheizen. „Und mehr noch: Die Kombination aus sinkendem Wachstum und steigender Inflation erinnert an die 1970er-Jahre und die herrschende Stagflation“, so Boydak. „Eine solche wäre eines der gefährlichsten Szenarien für die Notenbank, da konjunkturelle Stimulierung gleichzeitig die Preisstabilität gefährdet.“
Die Aktienmärkte reagierten mit deutlichen Rückgängen: Besonders zyklische Werte und die Automobil- und Luftfahrtindustrie waren betroffen. Viele Anleger verlagern ihr Kapital in sichere Anlagen wie Gold, was zu einem neuen Allzeithoch bei dem Edelmetall führte. „Aus der Marktdynamik entsteht hier ein Teufelskreis“, sagt Boydak. „Die Verunsicherung sorgt für Verkaufswellen, die Kurse sinken, die Kapitalbeschaffung wird schwieriger, die Investitionen werden entsprechend reduziert und das führt wieder zu geringerem Wachstum.“ Diese negative Dynamik könnte sich im weiteren Jahresverlauf verstärken.
Profitieren, wenn auch nur kurzfristig, würden möglicherweise zwei Sektoren: „Die US-Stahlindustrie, der die Importkonkurrenz genommen wird“, so Boydak. „Und ausländische Agrarproduzenten, etwa Anbieter aus Brasilien oder Argentinien, die von chinesischer oder europäischer Nachfrage profitieren, wenn US-Produkte durch Gegenzölle verteuert werden.“
Die Liste der Verlierer ist dagegen deutlich länger. „Als erstes leidet die US-Autoindustrie, Ford und GM rechnen mit Gewinnrückgängen im Milliardenbereich, weil hier die massiven Kosteneffekte durch verteuerte Vorleistungen auf sinkende Nachfrage treffen“, sagt Boydak. „Dazu kommt der Technologiesektor wegen seiner hohen Abhängigkeit von asiatischen Zulieferern.“ Zudem fallen Exportmärkte durch Gegenmaßnahmen weg. So sehen sich exportorientierte Farmer mit Absatzverlusten und einem Preisverfall bei Agrarprodukten konfrontiert – ausgelöst durch Gegenzölle wichtiger Handelspartner. Gleichzeitig belasten gestiegene Betriebskosten die Rentabilität vieler Betriebe. „Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung dürfte daher auch in landwirtschaftlichen Regionen zunehmend für Unmut sorgen“, so Boydak. Leiden wird auch der US-Maschinen- und Anlagenbau: Projekte werden verschoben oder gestrichen, die höheren Einkaufskosten setzen die Gewinne unter Druck.
Die protektionistische Neuausrichtung der USA hat ebenfalls Auswirkungen auf wichtige Exportnationen wie Deutschland, das Vereinigte Königreich und Japan: „Die deutsche Industrie und hier besonders Maschinenbau, Automobilzulieferer und Chemie ist stark exportorientiert“, sagt Boydak. „Daher geraten mittelständische Exportbetriebe mit USA-Fokus stark unter Druck.“ Auch hoch spezialisierte britische Industriebetriebe, hauptsächlich in der Luftfahrt, Elektronik oder Pharmazie, könnten unter regulatorischer Unsicherheit und Zollpflichten leiden. „Und die hohen Direktinvestitionen japanischer Großunternehmen in den USA sorgen für potenzielle Gewinnbelastungen“, so Boydak. „Kleinere Zulieferer leiden unter Wechselkursschwankungen und höheren Kosten.“
Kapitalmarktseitig könnten sich die Unsicherheiten daher negativ auf US-amerikanische wie europäische und japanische Aktien auswirken – vor allem Small und Mid Caps mit starker Exportausrichtung. „Die aktive Titelauswahl wird damit umso entscheidender: Unternehmen mit lokalisierter Fertigung, geringer US-Exposure-Sensibilität und hoher Anpassungsfähigkeit gewinnen an Bedeutung“, sagt Boydak.