Birkenstock geht an die Börse

Es lässt aufhorchen, wenn ein wertvolles Unternehmen an die Börse geht und jedermann die Möglichkeit eingeräumt bekommt, sich daran finanziell zu beteiligen. Mit der Birkenstock AG bietet im September ein bekannter deutscher Markenartikler einen Teil seiner Aktien einem breiten Publikum zur Investition an. Dabei fällt auf, dass der Börsengang keineswegs in Deutschland, sondern wie schon bei Biontech in den USA stattfindet. Darin liegt ein Trend. Auch der britische Halbleiterhersteller Arm Holdings PLC überging in der letzten Woche seine Heimatbörse in London und orientierte sich zielstrebig auf das US-Börsenparkett.

Warum sich die heutigen Eigentümer für einen Börsengang in den USA entscheiden, liegt auf der Hand. Amerika ist das Weltzentrum des Aktienmarktes. Eine große, breite und tiefe Finanzmarktinfrastruktur trägt in New York, Chicago, Boston, Miami, San Francisco und in vielen anderen US-Metropolen erheblich zum Wohlstand des Landes bei. Die größten Kapitalsammelstellen der Welt haben in den Vereinigten Staaten ihren Sitz. Mehr noch: An der amerikanischen Börse werden Bewertungsprämien gegenüber anderen Börsenplätzen erzielt. Man vergleiche diesbezüglich etwa die Aktienbewertungen der Wettbewerber Nike und Adidas. Dabei wird man sogleich den Aufschlag feststellen, den die Amerikaner gegenüber den Herzogenaurachern aufweisen. Während Nike beim Umsatz mehr als doppelt so groß ist wie Adidas, liegt dessen Börsenwert fast fünfmal so hoch wie jener der Herzogenauracher. Nicht anders ist es bei Exxon und Shell. Diese gut vergleichbaren Unternehmen werden ganz unterschiedlich wertgeschätzt. Während Shell ein aktuelles Kurs-Gewinn-Verhältnis von 7,5 aufweist, beträgt diese Kennzahl bei Exxon 12,5. Ohne Schwierigkeiten ließen sich weitere Beispiele anfügen.

Für die deutsche Aktienkultur ist der Birkenstock Börsengang in den USA sinnbildlich, nachdem vor wenigen Monaten bereits das teuerste deutsche Unternehmen Linde dem Börsenplatz den Rücken gekehrt hat. Der Zusammenhang zwischen Wohlstand und Aktienmarkt ist der deutschen Politik und auch der Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten überwiegend unbekannt geblieben. Gar manche Experten sprechen von Analphabetismus in Finanzfragen. Zugleich zeigen Vermögensstatistiken regelmäßig, wie sehr die Deutschen von anderen Ländern mit stärkerer Aktienorientierung abgehängt werden.

Wie wäre es also, wenn der Wirtschaftsminister Deutschlands sich um eine Verbesserung des Börsenklimas hierzulande kümmern würde? Freilich müsste man damit bereits in den Schulen und Bildungseinrichtungen anfangen.


Aus Chicago

Ihr

Dr. Christoph Bruns